Pyrrolochinolinchinon (PQQ) wurde erst vor wenigen Jahren „entdeckt” und näher erforscht. Dabei zeigte PQQ zwei hochinteressante Eigenschaften, die diese Substanz gegenüber anderen Vitalstoffen auszeichnen:
- seine antioxidative Stärke, aber v.a.
- seine einmalige Fähigkeit zur mitochondrialen Biogenese (= Neubildung von Mitochondrien)
A) PQQ als starkes Antioxidans
Allgemein entstehen durch verschiedene Stoffwechselabläufe freie Radikale, sog. „reaktive Sauerstoffspezies“ (ROS) und „reaktive Stickstoffspezies“ (RNS). In geringen („normalen“) Konzentrationen modulieren sie diverse physiologische Prozesse. Problematisch wird es erst, wenn die ROS- bzw. RNS-Produktion entweder zu hoch und / oder die antioxidativen Entgiftungsfunktionen zu gering sind.
Gründe für eine erhöhte Radikalbildung können sein: hohe Belastung mit Umweltgiften und Schwermetallen, Medikamenteneinnahme, chronische Entzündungen sowie chronischer Stress etc. Ein zu hoher Radikal-Anfall birgt vor allem ein hohes Risiko für die Schädigung der mitochondrialen DNA (mtDNA). Die ringförmige mtDNA ist in der Mitochondrienmatrix enthalten und hoch anfällig für schädigende Reagenzien. Denn im Gegensatz zu der DNA im Zellkern jeder menschlichen Zelle, verfügt die Mitochondrien-DNA über wenig Schutz und Reparaturmechanismen. Mitochondrien sind also weniger gut geschützt und darüber hinaus einer weitaus größeren Belastung ausgesetzt als der Rest der Zellstrukturen, da im Rahmen der mitochondrialen Energieproduktion laufend freie Radikale entstehen.
Darüber hinaus hemmt die Zunahme an Radikalen die Enzymaktivität (insbesondere in dem Fall jene
der Atmungskette) und erhöht die Permeabilität der inneren Mitochondrienmembran. Eine erhöhte Durchlässigkeit der inneren Membran begünstigt wiederum die Freisetzung von Cytochrom C ins Cytosol, eine zytotoxische Substanz, die letztlich den Zelltod (Apoptose) bewirkt. Als Konsequenz stehen das Mitochondrium oder die Zelle nicht mehr für die ATP-Produktion zur Verfügung. Dieser Energieverlust führt zu zahlreichen Symptomen, die häufig mit körperlicher Erschöpfung, Abgeschlagenheit und Antriebslosigkeit einhergehen.
Abb.: Aufbau Mitochondrien
PQQ befindet sich direkt in den Mitochondrien und kann die freien Radikale somit direkt am Ort der Entstehung neutralisieren. Die sehr stabile Molekülstruktur von PQQ bedingt die hohe „Leistungsfähigkeit” im Sinne der antioxidativen Kapazität im Bereich des Elektronentransports der Atmungskette. Es hat sich als besonders effektiv erwiesen im Neutralisieren von Superoxid- und Hydroxyl-Radikalen. Laut der neuesten Erkenntnisse ist PQQ bis zu 5000-mal effizienter als beispielsweise Vitamin C. Dies liegt daran, dass PQQ in der Lage ist, einen nahezu kontinuierlichen Redox-Zyklus (d.h. die Fähigkeit, wiederholte Oxidations- und Reduktionsreaktionen durchzuführen) zu erzeugen: PQQ kann bspw. 20.000 Umwandlungen (Oxidationen und Reduktionen) durchführen, wohingegen Vitamin C auf lediglich 4 kommt.
B) PQQ und die mitochondriale Biogenese
Mitochondrien sind die Energiekraftwerke aller Lebewesen. Sie sind ca. 1-5 µm große Zellorganellen, die je nach Energiebedarf in unterschiedlicher Dichte in fast jeder Körperzelle vorkommen. Während einzelne Herz-, Leber- und Gehirnzellen jeweils zwischen 2000 und 10.0000 Mitochondrien aufweisen, sind Erythrozyten die einzigen Zellen, die keine besitzen.
In den Mitochondrien wird über sog. „Atmungsketten“, die jeweils aus vier großen Proteinkomplexen (I-IV) sowie einem weiteren Komplex (V), der ATP-Synthase, bestehen, Energie produziert. Mit Hilfe von Elektronen und Protonen, die aus dem vorgeschalteten Citratzyklus stammen, generiert die ATP-Synthase ADP zu ATP unter Verbrauch von Sauerstoff. ATP (Adenosintriphosphat) fungiert als Energieträger in Zellen und ist unabdingbar für den Ablauf sämtlicher überlebenswichtiger Prozesse im Körper.
Funktioniert dieses System nicht mehr, kann der Körper nicht mehr ausreichend Energie generieren und es kommt zu einem Leistungsabfall. Durchschnittlich wandelt ein gesunder Erwachsener pro Tag ca. 3000mal ADP zu ATP. In Kilogramm entspricht dies in etwa 70 Kg - so viel wie das eigene Körpergewicht!
Mitochondrien haben eine eigene Erbanlage. Leider haben sie nicht die gleichen Reparatursysteme wie unsere Zell-DNA. Schäden an der Mitochondrien-DNA können deshalb nicht gleichermaßen repariert werden. Zusätzlich unterliegt die Mitochondrien-DNA einem größeren Einfluss durch freie Radikale, die direkt im Zellatmungsprozess entstehen. Logisch ist, dass ein menschlicher Körper mit einem großen Anteil an geschädigten Mitochondrien keine gute Zellleistung hat. Eine schlechte Zellleistung bedeutet eine schlechte Organleistung und dies eine schlechte Gesamtgesundheit bis zu schwersten Störungen. Man könnte dies als natürlichen Prozess begreifen, da ein 90-Jähriger nur noch ca. 20 % funktionsfähige Mitochondrien hat. Leistungsschwäche und Krankheit sind die zwingende Folge. Aber nicht nur die geringe Anzahl der Mitochondrien macht uns im Alter zu schaffen. Defekte Mitochondrien sind nicht einfach “abgeschaltet”, sondern produzieren durch “defekte” Atmungsketten zwar keine Energie, dafür aber eine Menge oxidativen Stress. Die entstehenden freien Radikale wirken sich ihrerseits negativ auf noch “gesunde” Mitochondrien aus (vgl. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20552048/ )
PQQ hat nun die einmalige Fähigkeit, die Neubildung von Mitochondrien in alternden Zellen anzuregen. Vor der Entdeckung von PQQ kannte man nur zwei Einflüsse, die die Neubildung von Mitochondrien anregen können:
- Ausgiebiges, aerobes Ausdauertraining
- Kalorienreduktion bzw. Einsatz von Kalorienrestriktionsmimetika wie Resveratrol
Pyrrolochinolinchinon (PQQ) fördert die Funktion und Bildung der Mitochondrien durch Aktivierung bestimmter Gene (Genexpression), welche die Entwicklung, die Neubildung und den Schutz der Mitochondrien gewährleisten. Ebenso werden wichtige mitochondriale Reparaturmechanismen aktiviert. PQQ generiert nicht nur neue Mitochondrien, sondern die Mitochondrien sind auch größer und haben eine höhere Masse.
PQQ verstärkt die Expression von PGC-1α (Peroxisome Proliferator-Activated Receptor Gamma Coactivator-1Alpha), eines der wichtigsten Faktoren zur Aktivierung von Genen, die das Mitochondrien-Wachstum anregen (vgl. https://www.jbc.org/article/S0021-9258(20)66100-2/fulltext ). Zudem ist PGC-1α durch die Regulierung der Expression zahlreicher ROS-entgiftender Enzyme (u.a. SOD2 und GPX1) maßgeblich an der Neutralisation freier Radikale (ROS) beteiligt.
Möglicher therapeutischer Einsatz von PQQ
Aus den o.g. Eigenschaften leitet sich der potenzielle therapeutische Einsatz von PQQ ab:
Neuroprotektion
- PQQ wirkt neuroprotektiv und hat einen positiven Einfluss auf die Gedächtnisfunktionen. So zeigte sich bspw., dass es die Durchblutung des Gehirns und die Sauerstoffverwertung im präfrontalen Kortex, dem Bereich des aktiven Denkens, verbessern konnte (vgl. Nakano M, Murayama Y, Hu L, et al. Effects of Antioxidant Supplements on Cerebral Blood Flow and Oxygen Metabolism in the Prefrontal Cortex. Adv Exp Med Biol. 2016;923:215-222)
- PQQ stimuliert den “nerve growth factor”
- PQQ ist ein starkes Antioxidans („Radikalfänger“), welches eine Ursache für den Schutz vor Schlaganfall durch PQQ sein könnte.
- PQQ schützt vor Oxidationsprozessen im Gehirn und damit potenziell auch vor Morbus Parkinson
- PQQ wirkt neuroprotektiv gegen die 6-Hydroxydopamin induzierte Hypoxie (Sauerstoffmangel) und Ischämie
- PQQ kann die Größe der geschädigten Hirnareale bei einem Schlaganfall reduzieren
- PQQ wirkt der Bildung von Amyloid Fibrillen entgegen, welche die Hauptfaktoren bei der Entstehung von Morbus Alzheimer sind.
- PQQ kann vor den schädigenden Einflüssen von Quecksilber im Gehirn schützen.
- PQQ schützt Neuronen in der Hippocampus-Region (Zentrum der Gefühle) vor schädigenden Wirkungen durch Glutamat. Es wurden weniger Neuronen geschädigt. PQQ aktiviert “antioxidative Gene”
Quellen:
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22843070/
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12383230/
Exkurs: Kombination von PQQ mit Coenzym Q10 in Bezug auf die Hirnfunktion bei Menschen ab 50 sinnvoll
In Bezug auf die Verbesserung der Hirnfunktion wurden noch bessere Ergebnisse beobachtet, wenn PQQ mit Coenzym Q10 kombiniert wurde. Dieser synergistische Effekt wurde in einer 2009 in Japan durchgeführten klinischen und placebokontrollierten Doppelblindstudie an Menschen weiter nachgewiesen. In dieser Studie mit 71 Menschen im Alter zwischen 40 und 70 Jahren führte die Supplementierung mit 20 mg PQQ pro Tag zu Verbesserungen bei Tests der höheren kognitiven Funktionen im Vergleich zur Placebogruppe. Doch noch beeindruckender waren die Ergebnisse in der Gruppe, die 20 mg PQQ zusammen mit 300 mg Coenzym Q10 erhielt.
Es scheint daher, als sollten Menschen, die älter als 50 Jahre sind, PQQ besser gemeinsam mit CoQ10 einnehmen. Für die meisten Menschen unter 50, ist es jedoch nicht notwendig, CoQ10 einzunehmen, da ihre Körper i.d.R. ausreichende Mengen selbst herstellen (unser Körper kann CoQ10 selbst produzieren – PQQ jedoch nicht), wenn nicht gerade Medikamente wie cholesterinsenkende Statine eingenommen werden, die die CoQ10-Herstellung beeinträchtigen.
Quelle: Itoh Y, Hine K, Miura H, et al . Effect of the antioxidant supplement pyrroloquinoline quinone disodium salt (BioPQQ™) on cognitive functions. Adv. Exp. Med. Biol. 2016;876:319-325.
Herzinfarkt und Schutz von Herzzellen
Entsprechend zu den Ergebnissen beim Hirninfarkt, bewirkt PQQ (bislang liegen nur Daten aus Tierversuchen vor / klinische Studien am Menschen stehen aus) direkt vor, während und nach Herzinfakt verabreicht, geringere Schädigungen. Diese Wirkung scheint besser zu sein als die von Metoprolol (ein Standardmedikament zum Schutz von Reperfusionsschäden bei und nach Herzinfarkt). Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/16891289/
PQQ konnte zudem Herzzellen von Tieren vor oxidativem Stress und vor Dysfunktion der Mitochondrien schützen. Die durch Wasserstoffperoxid (H2O2) ausgelöste vermehrte Bildung von freien Radikalen konnte in den Herzmuskelzellen durch PQQ verringert werden. Quelle: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0006291X07017123
Verbesserung der Insulinsensitivität bei Typ 2 Diabetes
PQQ kann die Insulinsensitivität bei Diabetes verbessern. Die nachlassende Insulinsensitivität bei an Diabetes Erkrankten hat einen höheren Blutzucker zur Folge bei gleicher Insulinausschüttung aus den Inselzellen der Bauchspeicheldrüse. Wird die Insulinsensitivität verbessert, kann das Insulin wieder besser wirken. Quelle: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0006291X12020098
Schutz vor Strahlenschäden
PQQ scheint vor radioaktiven Gammastrahlen zu schützen.
Quellen:
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/jobm.201100650
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22272111/
Reduzierung chronischer Entzündungen
In einer Studie mit Menschen zwischen 21 und 34 Jahren z.B. beobachtete man bei denjenigen, die PQQ erhalten hatten, signifikante Erhöhungen der antioxidativen Aktivität, der entzündungshemmenden Effekte und der Energieproduktion – sogar nach nur einer Dosis.
Quelle: Harris CB, Chowanadisai W, Mishchuk DO, et al. Dietary pyrroloquinoline quinone (PQQ) alters indicators of inflammation and mitochondrial-related metabolism in human subjects. J Nutr Biochem. 2013 Dec;24(12):2076-84.
Verbesserung der psychischen Stimmung
17 gesunde Probanden mittleren und höheren Alters wurden täglich 20 mg PQQ oder ein Placebo über acht Wochen verabreicht. Es zeigte sich, dass PQQ alle sechs Messwerte des Profils der Stimmungszustände (Profile of Mood States, POMS) – Vitalität, Müdigkeit, ängstliche Anspannung, Depression, Wut-Feindseligkeit und Verwirrung – signifikant verbessern konnte.
Quelle: Koikeda T, Nakano M, Masuda K . Pyrroloquinoline quinone disodium salt improves higher brain function. Med. Consult. New Remedies. 2011;48:519–527.
Verbesserung der Schlafqualität
In einer Studie, die mit Probanden mittleren und höheren Alters durchgeführt wurde, wurden auch Verbesserungen in Bezug auf eine Schläfrigkeit beim Aufwachen, das Einsetzen und Aufrechterhalten des Schlafs sowie die Schlafdauer festgestellt.
Quelle: Nakano M, Yamamoto T, Okumura H, Tsuda A, Kowatari Y . Effects of oral supplementation with pyrroloquinoline quinone on stress, fatigue, and sleep. Funct Foods Health Dis 2012;2:307–324.
Senkung von LDL-Cholesterin
Eine 6-wöchige Supplementierung mit PQQ (~20 mg pro Tag) führte bei Probanden mit Ausgangswerten von LDL-Cholesterin über 140 mg/dl zu einer statistisch signifikanten Abnahme des Gesamtcholesterins (Senkung von durchschnittlich 247 auf 216 mg/dl) und LDL-Cholesterin (Senkung von durchschnittlich 156 auf 132 mg/dl).
Quelle: Nakano M, Kawasaki Y, Suzuki N, Takara T. Effects of Pyrroloquinoline Quinone Disodium Salt Intake on the Serum Cholesterol Levels of Healthy Japanese Adults. J Nutr Sci Vitaminol. 2015;61(3):233-40.
PQQ in Nahrungsmitteln
PQQ wurde in allen bisher analysierten pflanzlichen Lebensmitteln gefunden, allerdings in sehr geringen Mengen. Zu PPQ-reichen Nahrungsmitteln gehören Kiwi, Natto, Petersilie, grüne Paprika, Papaya und Tofu. 100 kg Kiwi enthalten jedoch nur 2,7 mg PQQ, 100 kg Natto immerhin 6,1 mg; grüner Tee ca. 2-3 mcg pro 118 ml (vgl. Kumazawa T, Sato K, Seno H, et al. Levels of pyrroloquinoline quinone in various foods. Biochem J 1995;307:331-333 und https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1136652/pdf/biochemj00065-0028.pdf).
Die aus Studien abgeleitete Einnahmeempfehlung 20 mg kann somit durch Ernährung unmöglich erreicht werden.
Da weder der Mensch noch die Bakterien, die den menschlichen Darm bevölkern, die Fähigkeit haben, PQQ zu synthetisieren, stuft die Wissenschaft PQQ als essentiellen Mikronährstoff ein. Es wird diskutiert, PQQ als B-Vitamin zu klassifizieren (vgl. https://www.nature.com/articles/422832a )
Mitochondrien-Komplex
Folgende Mikronährstoffe können ergänzend zu PQQ die mitochondriale Funktion verbessern und stabilisieren:
- PQQ: Vermehrung der Anzahl der Mitochondrien über Genexpression (Biogenese), Schutz der Mitochondrien, Vergrößerung der Mitochondrien
- Coenzym Q10: Wichtiges Enzym der Atmungskette
- NADH: Protonendonator für die Atmungskette
- L-Glutathion: Enzymatischer antioxidativer Schutz der Mitochondrien
- Alpha-Liponsäure: Enzymatischer antioxidativer Schutz der Mitochondrien
- Trans-Resveratrol: Biogenese und Schutz der Mitochondrien
- Cordyceps sinensis: Erhöht die Werte der SOD
- Selen: Wichtiges Spurenelement der Glutathionperoxidase, welches die Peroxide und Wasserstoffperoxid neutralisiert
- Phospholipihde, insbesondere Phosphatidylserin: Wichtig für die Doppelmembranen, welche die Atmungskettenenzyme enthalten.
- Acetyl-L-Carnitin: Notwendig zur Einschleusung freier Fettsäuren in die Mitochondrien
- Antioxidantien-Komplex Zellschutz der Atmungskette